München 5. XII. [1909]
Lieber Wien!
Gestern hörte ich via Greifswald von Herwegh, dass Sie eine schwere Krankheit durchgemacht haben und wieder in der Beßerung sind. Wir wussten hier alle nichts davon. Ich will Ihre liebe Frau, die jetzt Beßeres zu tun hat, nicht um Nachricht bemühen, sondern schreibe deshalb zugleich an Cantor. Aufrichtig will ich wünschen, dass der Bösewicht Blinddarm heraus ist u. daß Sie ausser jeder Gefahr sind; auch dass der Frühjahrs-Skilauf nicht darunter leidet.
Für den Fall, dass Sie schon für wissenschaftliche Dinge empfänglich sind, schreibe ich Ihnen, /2/ dass ich auf eine letzte Note von Stark in der Physikal. Zeitschr. a tempo eine Erwiderung losgelassen habe. Stark beobachtet eine unsymmetrische Emißion von Röntgenstrahlen bei Kohlen-Antikathode von der Art, wie wir sie lange vermuten, und knüpft daran höchst schwindelhafte Betrachtungen über Lichtquanten; auch beweist er eine sehr blamable Unkenntnis der Maxwell'schen Theorie. Ich habe dabei auch Ihre Bemerkung aus der Wüllner-Festschrift aufgenommen über die ungleichmässige Härte der Röntgenstrahlen auf der Vorder- und Rückseite der Antikathode. /3/ Der positive Teil meiner Note zeigt, dass sich alles sehr schön in die gewöhnliche Theorie einordnet, namentlich die Versuche von Baßler.
Mit Hn. Silberstein habe ich mich auf friedlichem Wege auseinandergesetzt. Unser Friedensprotokoll wird Ihnen bald für die Annalen zugehen.
Mit herzlichen Wünschen für die baldige Genesung und freundschaftlichen Grüßen
Ihr A. Sommerfeld.