17. XI. 19.

Lieber Wien!

Von Röntgens Rücktritt und vom Tode seiner Frau wissen Sie natürlich. Ende dieser Woche haben wir die erste Berufungs-Comissions-Sitzung, in Röntgens Wohnung, wenn er zustimmt. Er hatte Katarrh, soll aber schon besser sein. Fast schäme ich mich jetzt jeden bösen Wortes, das ich über ihn gesagt habe. Es war rührend, ihn nach dem Tode der Frau zu sehen.

Schweden war schön, eine wahre Erquickung; die Aufnahme äusserst herzlich. Ich kam bis Upsala.

Planck hat Ihnen wohl von dem Plan der Beiblätter zu den Verhandlungen der D. Phys. Ges. geschrieben. Ich habe erst von der fertigen Tatsache gehört und war froh, nicht darüber mitstimmen /2/ zu müssen. Dagegen habe ich bei der Rückkehr von Schweden an der Satzungsberatung teilgenommen. Sie werden bald zur allgemeinen Abstimmung kommen. In Einzelheiten konnte ich die Stellung der Gauvereine stärken. Die "Zeitschrift für techn. Physik" scheint mir keine Conkurrenz für die Annalen zu bedeuten. Bei den neuen "Beiblättern" kann man darüber im Zweifel sein.

Ich schreibe heute wegen der Mathematischen Annalen. Als ich Anfang Oktober in Göttingen war, sprachen mir Klein u. Hilbert zu, ich sollte in die Redaktion eintreten, sie wollten den Math. Ann. neues Blut zuführen, durch Arbeiten physikalisch gefärbter mathem. Abhandlungen, z.B. à la Weyl zur allg.[emeinen] Relat.[ivitätstheorie.] Ich lehnte mit Überzeugung ab, weil die Ann. d. Phys. bisher für solche Arbeiten Platz gehabt hätten und ich eine /3/ Spaltung zwischen theoret. und exp. Physik niemals unterstützen wollte. Klein verstand das, meinte aber, sie wollten keine eigentliche theoretische Physik. Hilbert ist natürlich zähe u. hat mir neuerdings den beiliegenden Brief geschrieben (bitte gelegentl. zurück). Mir liegt nichts daran, einzutreten; ich habe Klein eine Permutation der Namen Born-Sommerfeld vorgeschlagen. Was meinen Sie zu der ganzen Frage und zu dem Vorschlage von Born (s. Karte) betr. Hilbert? Ich habe nicht viel dagegen, aber bei Hilberts Querköpfigkeit auch nicht viel dafür. Die letzte Frage von Born erläutere ich Ihnen mündlich, wenn wir uns - hoffentl. bald - persönlich in München sehen. Die Frage bezieht sich auf eine wennmögliche Beschleunigung des Drucks der Annalen.

/4/ Die Correktur Ihrer Arbeit habe ich noch nicht bekommen, wohl aber die sehr interessante Neon-Arbeit von Paschen.

Ist Ihnen ev. an einer Abbürdung der mathematisch gerichteten Annalen-Arbeiten gelegen?

Hier ist viel wissenschaftl. Betrieb, leider auch viel geschäftlicher - ich bin Dekan. Morgen kommt Schrödinger zu einigen Vorträgen her, wenn die Eisenbahnen gehen.

Viele Grüsse Ihr
A. Sommerfeld