Leiden, den 24 Januar 1903.

Sehr verehrter Herr College,

Ich habe das Vergnügen Ihnen anbei den ersten Teil meines Manuskriptes, soviel ich sehe druckfertig, (bis zu p. 25 incl.) zukommen zu laßen. Sie werden aus demselben ersehen daß ich mich jetzt endgültig für das modificierte gemischte Maaßsystem entschieden habe; daß nun in verschiedenen Formeln der Elektronentheorie die $4 \pi$ wieder auftauchen müßen wir uns nun gefallen laßen. Es scheint mir wünschenswert daß die Gleichungen, die man direkt auf Beobachtungen anwendet (also in der Elektronentheorie die Gleichungen für die Mittelwerte) /2/ eine möglichst einfache Gestalt haben; die Formeln welche sich auf theoretische Betrachtungen über den Mechanismus beziehen, dürfen schon etwas komplizirter sein. Auch ist es nicht unnatürlich daß der Factor $4 \pi$ auftritt wenn man es mit in Punkten koncentrirten Ladungen zu thun hat. Man denkt ja hierbei sofort an eine um einen geladenen Punkt gelegte Kugelfläche. Zur Vermeidung jeder Undeutlichkeit habe ich § 5 die Einheiten schon festgelegt, und dann erst in dem neuen § 7, nachdem [in] § 6 die Hauptgleichungen angeführt worden sind, die weiteren Bemerkungen zu den Maaßsystemen eingeschaltet. Diese letzteren schließen sich Ihrer Darstellung a durchaus an; ich habe aber an der Disposition derselben etwas geändert. Ihrer Seite 2a habe ich einen Paßus entnommen, den ich p. 2 hinzugefügt habe; das übrige scheint mir kaum nothwendig. Ihre Seiten 5a und 5b möchte ich gerne an der von Ihnen angegebenen Stelle in den Text einfügen. Ich glaube /3/ Ihnen schon früher gesagt zu haben daß ich nicht weiß ob die Hilfssätze aus der Vectorentheorie schon irgendwo in der Litteratur vorkommen.

Was die Bezeichnungsweise betrifft, so möchte ich doch vorschlagen für anisotrope Körper wieder von dem $\mathfrak{A} = \nu (\mathfrak{B})$ zu dem $\mathfrak{A} = (\nu) \mathfrak{B}$ zurückzukehren. Es ist nämlich in dieser Gleichung nicht $\mathfrak{B}$, sondern $\nu$ ein Complex, in welches verschiedene Größen zusammengefaßt werden, und diese Zusammenfaßung wird eben durch die Klammern ausgedrückt. Dazu kommt daß in Ausdrücken wie \begin{eqnarray*} \mathfrak{J} = (\sigma)\left(\mathfrak{E} + \mathfrak{E}^{el}\right) \end{eqnarray*} die letzten Klammern schon eine andere Bedeutung haben.

Wien hat mir neulich mitgeteilt daß er sich unserer Bezeichnungsweise gern im Ganzen anschließt; nur für die Leitfähigkeit schreibt er einen anderen Buchstaben vor, da $\sigma$ schon für "Fläche" angewandt wird. Leider kann ich seinen Brief augenblicklich nicht finden; ich schreibe also darüber noch näher. Wir können /4/ wenn es nöthig ist, eine kleine Aenderung in der Korrektur machen.

Das Wort "Korrektur" erinnert mich daran daß ich oft was die Orthographie betrifft, etwas im Unsichern bin. Sie wollen darüber wohl entscheiden.

Vielleicht werde ich in der Korrektur noch einige kleine Zusätze anbringen, aber jedenfalls nur wenige.

Wäre es nicht angemeßen, die Inhaltsübersicht und die Zusammenstellung der Formeln erst drucken zu laßen wenn der Artikel ganz fertig ist? Dagegen wird es bequem sein, wenn das Litteraturverzeichniß sofort gedruckt wird.

Sie waren so freundlich mir zu versprechen, die erste Correctur selbst zu lesen. Damit werden Sie mir einen großen Gefallen thun, obgleich ich auch gern bereit bin, diese Arbeit zu übernehmen, wenn Sie zu viel zu thun haben.

Jedenfalls würde es mich freuen wenn Sie mir mit der Correctur das Manuscript zurückschickten.

Den Artikel von Reiff werde ich bald lesen; den von Bryan in der neuen Gestalt habe ich noch nicht gesehen.

Mit vielen Grüßen Ihr ergebener
H.A. Lorentz

Wäre es nicht gut, von der Regel daß die Titel der Abhandlungen nicht citirt werden sollen, in einigen der wichtigeren Fälle abzuweichen?

Ich dankte Ihnen schon für Ihre freundlichen Glückwünsche zum Preise. Sie haben mir damit viele Freude gemacht.