Göttingen, 29. 9. [19]00.

Lieber Hr. College!

Ich habe gestern mit Abraham ausführlich über die Unterbringung des "stress" gehandelt und bin mit ihm zu folgendem Resultat gekommen, das ich Ihrer Billigung unterbreite:

1. Abraham hatte jetzt bereits in seinem Manuscipt die Zerlegung einer $\infty$ kleinen Verschiebung in $\infty$ kleine Deformation mit den 6 Coordinaten $x_x, x_y = y_x, \dots$ und $\infty$ kleine Drehung mit den 3 Coordinaten $p, q, v$.

2. Er wird nunmehr Excurs einschalten über die Arbeit, welche $\infty$ kleine Verschiebung beim Vorhandensein irgend eines Spannungszustandes leistet. Dieselbe ist in den 9 vorbezeichneten Coordinaten notwendig linear: /2/ \begin{displaymath} dA = X_x \cdot x_x + X_y \cdot x_y + \dots + P p + Q q + R v. \end{displaymath} Hier bedeuten $X_x, X_y, \dots$ einen Tensor, $p, q, v$ einen Vector. Beide zusammen geben den allgemeinsten stress, der dann in verschiedener Form in verschiedenen Gebieten: Elasticitätstheorie, Maxwell'sche Theorie, Electrostriction etc. zur Geltung kommt.

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Somit wird Abraham gehen. Ihrem Artikel 21 dagegen würde vorbehalten bleiben zu entwickeln, wie sich diese Idee des Stress innerhalb der Elasticitätstheorie gestaltet. Warum setzt man dort $P Q R$ gemeinhin Null? Wie kommen die 9, bzw. 6 Coordinaten bei /3/ molecularer Betrachtung heraus? Wie überhaupt hat sich die Idee des stress historisch innerhalb der Elasticitätstheorie entwickelt?

Es könnte das ev. eine Einleitung abgeben, an die sich dann der Hauptinhalt Ihres Artikels: welchen strain ruft ein gegebener stress bei elastischen Medien hervor? - logisch anreiht.

Ich meine wohl, daß die Sache so geht, bitte aber um eine Zeile Antwort (da Abraham seinen Artikel jetzt abschließen muß).

Viele Empfehlungen an Ihre Frau Gemahlin und die Aachener Collegen von Ihrem sehr ergebenen

F. Klein