Göttingen. 12. 11. 06.

Bürgerstrasse 29

Lieber Herr Professor!

Besten Dank für Ihren freundlichen Brief. Über die Arbeit des Herrn F. Fuchs, in deren Besitz ich mich befinde, bin ich mit Ihnen durchaus einer Meinung. Ich habe bereits vor 8 Tagen an diesen Herrn einen Brief gerichtet, in dem ich ihn auf einige der gröbsten Fehler aufmerksam gemacht habe, und mich erboten habe, ihn, wenn er nunmehr das Problem auf Grund der richtigen Grenzbedingungen behandeln will, mit meinem Rat zu unterstützen.-

Bisher bin ich indessen ohne Antwort auf diesen Brief. Ich werde nun noch einige Zeit warten, und dann eventuell in Gutzmer's Klatschblatt die Sache niedrig hängen. Ich könnte vielleicht auch in die Münchener Akademieberichte eine kurze /2/ Mitteilung einsetzen.

Daß die Grenzbedingungen (59) u. (60) sinnlos sind, ist ja klar. Dieselben würden besagen, daß an der Leiteroberfläche kein elektrisches Feld vorhanden ist, auch keine Normalcomponente. Der Fehler in der letzten der Gl. (55) war mir entgangen. Als Dank für die Mitteilung desselben möchte ich Sie auf eine Blüte Lindemann-Fuchs'scher Funktionentheorie aufmerksam machen, welche sich auf S. 17 findet. Dort soll bewiesen werden, daß meine Behauptung, es gäbe ungerade Integrale der betreffenden Differentialgleichung, unrichtig sei. Das geschieht, indem in den Entwicklungen von $\xi_1(x_1)$ und $\xi_2(x_1)$, bezw. in der Gleichung: $\xi_1(x_1) = \delta \xi_2(x_1)$ die Unabhängige $x = 0$ gesetzt wird. Offenbar verliert diese Gleichung für $x = 0$ den Sinn, wenn es /3/ sich um ein ungerades Integral handelt; sie ist dann durch $\delta = \xi_{11} = 0$ zu ersetzen, woraus dann $\delta = -1$ folgt. Keinesfalls kann aber so auf die Nichtexistenz ungerader Integrale geschlossen werden. Ebenso könnte man schließen, daß es keine ungeraden Kugelfunktionen $P_n(x)$ gäbe!-

Es wäre doch sehr gut, wenn mein Enzyklopädieartikel demnächst an das Tageslicht gelangt, damit die Leute sehen, wie man bei solchen Problemen die Grenzbedingungen ansetzt. Wie steht es denn damit? Ich rechne bestimmt darauf, noch vor Semesterende die Fahnencorrektur zu erledigen!-

Hoffentlich ist Ihr erstes Colleg in München von Erfolg begleitet. Wenn Sie oder Ihre Zuhörer bei dieser Gelegenheit auf den "Abraham-Föppl" Bezug nehmen würden, wäre es mir sehr erwünscht. /4/ Ich würde Sie dann bitten, etwaige Unklarheiten oder Lücken in der Darstellung, die Sie bemerken, mir am Ende des Semesters mitzuteilen. Ich könnte mir das für die neue Auflage, an die ich dann bald denken muß, zu Nutze machen.

Sollten Sie über die weitere Entwickelung der Affaire Lindemann-Fuchs noch etwas erfahren, so würden Sie mich durch eine diesbezügliche Mitteilung sehr erfreuen. Ich meinerseits werde nicht verfehlen, Sie über die Sache auf dem Laufenden zu erhalten.

Mit bestem Gruß bin ich
Ihr M. Abraham