Meran d. 15. 1. 06

Villa Weinhart

Sehr geehrter Herr Kollege

Die Doctor-Arbeiten von Diepen und Wolters über die störenden Bewegungen der Lokomotiven werden Sie inzwischen ebenfalls gelesen haben. Für unser Lehrbuch möchte ich vorschlagen, die allgemeine Darstellung nach Diepen mit der Reihen-Entwicklung zu geben, zunächst bei jeder Schwingungsart ohne Rücksicht auf Reibungen; dann die Beschränkungen, welche die Reibungen hervorrufen nach Art von Wolters. Bei Diepen gefällt mir die Ableitung der Teilkraft [G?] mit dem augenblicklichen Drehpunkt S. 11, 12 nicht, sie wirkt verwirrend. Beßer wäre /2/ m.E. die kinematische Umkehrung: feststehende Lokomotive und laufendes Gleis; dann bleibt die ganze Betrachtung durchsichtiger und die Ableitung von [G?] wird einfacher. Die [?] Bedeutung des Ganzen würde nicht leiden, wenn man die Schubstange als $\infty$-lang annähme. Damit wären aber die interessanten zuckenden Schwingungen mit 3 [?] verschwinden; doch könnte man es mal versuchen zugunsten einfacherer Formeln. Die Drehbewegung um die senkrechte Axe, von beiden Herren fälschlich als "Schlingern" bezeichnet, lässt Diepen leider aus, obgleich das die wichtigste ist. "Stampfen" wird als besser "Nicken" bezeichnet. Die Trägheitsmomente der $\frac{2}{4}$ Lok nimmt /3/ Diepen zu klein an, das Gewicht der nicht ausgeglichenen Teile ebenso. Aber die anzunehmenden [?], die Bezeichnungen und die wirkliche Bedeutung der einzelnen Bewegungen wird Ihnen meine einfache Bearbeitung zum Anhalt dienen, welche ich Ihnen im Frühjahr nach Heimkehr senden werde. - Wolters macht verschiedene Fehler, vor Allem, dass dieselben Reibungen den verschiednen Schwingungen gleichzeitig standhalten sollen, z.B. die Achslagerreibung dem Wanken, Neigen und Nicken. Bei Gl. 38 wäre zu berücksichtigen, dass die Zugkraft schon einen Teil von [??] beansprucht, bisweilen ganz. Die Annahme S. 36, 37, dass die Federstützen auf d. Achslagern gleiten können ist nicht richtig, /4/ nur die Achsschenkel haben zwei bis drei Millimeter Seitenspiel in den Lagerschalen, die Reibung ist schon d. d. Drehung der Schenkel beseitigt. Die Betrachtungen S. 40 u.f. scheinen mir zwecklos. Zusammengesetzte Schwingungen sind natürlich vorhanden, ergeben sich aber aus den Einzelnen. Ich hoffe Ihre Bearbeitung im Herbste d.J. zu erhalten, bis dahin werden die übrigen Teile auch etwa fertig werden. Ihren Beitrag [über die Kreiselwirkung?] der Achsen, mit Zahlenbeispiel der Normal-Wagenachse bitte ich mir baldmöglichst senden zu wollen.

Mit bestem Gruss
Ihr sehr ergebener v Borries