München, den 13. V 1912
Sehr verehrter Herr College!
Die Vorlesungen von Dr. Laue liegen
Dienstag, Donnerstag, Freitag 3-4 Uhr
Relativitätstheorie
Samstag 10-12 Uhr Übungen dazu.
Es hören etwa 10 Herren (für dieses Thema eine recht anständige Zahl). Daß Sie unbemerkt bleiben, ist also ausgeschlossen. Wenn ich in einer kleinen Vorlesung, bei der ich alle Gesichter kenne, zwei fremde ältere Herren sehe, würde ich auch etwas aus dem Text kommen, schon deshalb, weil ich mich verpflichtet fühlen würde, für diese weiter auszuholen. Ich besinne mich, dass ich mich in Aachen während einer ganzen Stunde über ein fremdes Gesicht alterirte - es schwebten damals auch bei mir Berufungsdinge.- Ich möchte also sehr empfehlen, dass Sie sich Laue vorher vorstellen, oder direkt mich autorisiren, ihn auf Ihren Besuch im Allgemeinen vorzubereiten. In dieser Woche fällt Donnerstag (Himmelfahrt) aus, Laue hat dafür heute eingelegt. Am Mittwoch d. 16. V Abend 6-8 trägt Laue zufällig in unserem Colloquium vor. Besonders charakteristisch für Laues Unterricht dürften die Übungen am Samstag sein (Aufgaben und Vorträge der Teilnehmer). Laue wird jedenfalls mit Freuden die Gelegenheit wahr/2/nehmen Ihnen die wundervollen Interferenz-Aufnahmen mit Röntgenstrahlen an Krystallen zu zeigen, die jetzt hier auf seine Veranlassung gemacht werden u. die uns alle in Atem halten.
Ich bitte Sie sehr, mir Ihre Ankunft und die Dauer Ihres Aufenthaltes vorher kurz anzuzeigen. Ich werde mich sehr freuen, wenn Sie und Herr Direktor Keller Zeit finden, mich abends oder mittags zu besuchen und würde dazu gern auch Röntgen bitten, den Sie ja von Zürich her kennen. Vielleicht können Sie mich auch darüber vorher orientiren, desgleichen ob es Ihnen erwünscht ist, dass ich auch Laue dazu auffordere. Ich vermute, dass Ihnen Letzteres im Interesse der ungezwungenen Aussprache nicht erwünscht sein wird, und sage selbstverständlich Laue überhaupt nur dann etwas, wenn Sie mich autorisiren.
Ihr sehr ergebener
A. Sommerfeld.