München, 7. Oct. 1900.

Hochgeehrter Herr College!

Die mir freundlichst zur Einsichtnahme übersendete Ausarbeitung lasse ich, nachdem ich sie mit Interesse gelesen habe, hiermit wieder zurückgehen. Ihre Vermuthung, daß mir die Arbeiten von Reynolds unbekannt geblieben seien, ist übrigens nicht zutreffend. Ich habe sie ja auch selbst auf S. 421 meiner Dynamik angeführt und vermag nach genauer Überlegung bei der bevorstehenden Neuauflage des Buches infolge Ihrer Bemerkungen keine Änderung des Textes vorzunehmen. Richtig ist nämlich allerdings, daß ich die theoretischen Betrachtungen von Reynolds nicht verstanden habe. Das mag vielleicht an mir gelegen haben, obschon ich in solchen Fällen sehr geneigt bin, die Schuld bei dem Verfasser zu suchen und seine Arbeit weiterhin als nicht für mich vorhanden zu betrachten. Wie es /2/ scheint, haben Sie aber Reynolds verstanden und hiernach müßte also die Schuld demnach an mir liegen. Jedenfalls wäre es mir sehr interessant, wenn Sie die halb in Aussicht gestellte Neubearbeitung des Problems in Angriff nehmen sollten, Ihre Darstellung kennen zu lernen, von der ich hoffen zu dürfen glaube, daß sie mir weniger Schwierigkeiten macht, als die von Reynolds.

Sehr erfreut war ich, zu hören, daß Sie bei der Ausarbeitung Ihrer Vorlesungen meine Bücher ebenfalls zu Rathe ziehen. Jederzeit werde ich Ihnen auch sehr dankbar sein, wenn Sie mich auf einen Fehler darin aufmerksam machen, damit er bei der nächsten Gelegenheit verbessert werden kann. In Bezug auf Reynolds konnte ich freilich einen solchen nicht entdecken; ich vermuthe, daß Ihnen die Auseinandersetzungen auf der vorher aufgeführten Seite entgangen waren. Übrigens kommt in meiner Dynamik eine nicht ganz kleine Zahl von verbesserungsbedürftigen Stellen vor, die ich bereits für /3/ die Neuauflage, mit deren Druck demnächst begonnen werden soll, umgearbeitet habe.

Mit collegialem Gruße und bestem Danke

Ihr hochachtungsvoll ergebener
A. Föppl.