Göttingen,

Hainholzweg 2,

27. II. 09.

Hochgeehrter Herr Professor!

Gestatten Sie mir Ihnen zunächst meinen besten Dank für die zugesandten Separata auszudrücken, die mir Gelegenheit geben werden schon bekannte Arbeiten noch einmal genau zu studiren, und andere, die mir bisher entgangen waren, kennen zu lernen.

Da Sie in Ihrem ersten Schreiben mir versichern dass der betr. Artikel nicht vor dem 1 Aug. erscheinen wird, möchte ich, um jedem Missverständnis vorzubeugen, nochmals betonen dass es sich um 1 Aug. nächsten Jahres (1910) handelt - der Aug. dieses Jahres dürfte ja sowieso in dieser Hinsicht ausgeschlossen sein.

Ich glaube allerdings dass die unendliche Anzahl Elektronen im vollkommenen Spiegel bei der Jeans-Lorentz'schen Methode wesentlich bedenklicher ist als sonst in der Optik. Denn es wird hier die Energie ja gleichmässig auf gewisse Freiheitsgrade des Aethers verteilt, die, vermöge der retardirten Potentiale, mit den unendlich vielen Freiheitsgraden der Spiegelelektronen zusammenhängen; diese Freiheitsgrade des Aethers sind nur deshalb und nur dann in unendlicher Anzahl, /2/ wenn es auch die des Spiegels sind. Und die unendliche Anzahl dieser Aetherfreiheitsgrade ist es eben die die ganze Energie absorbirt und so das Paradoxon bedingt. Mir scheint es dass der Verzicht auf den vollkommenen Spiegel bei dieser Methode jedenfalls eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende(?) Forderung der Kritik sein muss.

Ich muss ohne Weiteres einräumen, dass die von Ihnen untersuchten Schwingungen prinzipiell als Erklärung der Serien meinen Ansätzen sehr vorzuziehen gewesen wären. Muss aber auf eine Seite dieses Gedankens verzichtet werden, so möchte ich lieber die reine elektromagnetische Energie beibehalten - nebst etwa //starren// Verbindungen, die keine Arbeit leisten - wie es meine Magnettheorie, wenn auch in zu spezieller Form, erreicht, und dafür das Aneinander Krystallisiren einer Anzahl Atome in Kauf nehmen - der Vorgang muss ja eigentlich sicher eintreten wenn einige Moleküle mit geringer Relativgeschw. zufällig aufeinander treffen: sie verhalten sich dann wohl nicht sehr viel anders wie bei niedriger Temperatur wenigstens bis zum nächsten Stoss, und das genügt: ist die Temperatur niedrig genug, so bildet sich ein Krystallembryo, für eine Zeit die allerdings nur aüsserst kurz, aber doch gross gegen die Lichtperiode sein mag. Wo die Wahrheit liegt kann uns vielleicht eine nahe Zukunft lehren.

Hochachtungsvoll grüssend
W. Ritz