München 14 Dec. 1912
Sehr verehrter und lieber Herr College!
Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief von gestern, den ich soeben erhielt: dass Sie sich nochmals nach mir erkundigten, wurde mir treulich berichtet und ich habe diese Nachricht mit Freude und Dank aufgenommen. Wenn wir uns auch verhältnismässig kurz zu sehen bekommen, so weiss ich doch, dass Sie meiner freundschaftlich und mit Theilnahme gedenken: und diese Gewissheit ist mir in dem so sonst so öden München von grossem Werth!
Mir geht es jetzt ordentlich, nur ist das Gehör noch miserabel schlecht. Die Aerzte - an der Spitze Coll. v. Müller - geben aber alle Hoffnung auf Wiederherstellung des früheren "Status quo", verbieten mir aber das Ausgehen und selbstverständlich das Reiten bis der eigentliche Mittelohrkatarrh verschwunden ist, nachdem ein bereits in dieser Richtung gemachter Versuch ungünstig ausgefallen ist. Also Geduld!
Was nun die vom Dekan angeregte Angelegenheit anbetrifft, so gestatten Sie mir folgenden Vorschlag. Ich schreibe auf den betreffenden Fakultätsbogen "Im Einverständniss mit Coll. Sommerfeld und im /2/ Sinne der Aeusserung des Hrn Dekans möchte ich folgendes ausführen". Dann kommt das was Sie mir schrieben und am Schluss davon möchte ich hinzufügen: "Diese Aeusserung entspricht einer Ansicht, die ich bereits früher, als es sich um die Wiederbesetzung der Directorenstelle der hiesigen meteorologischen Station handelte, in einer vom Ministerium gebildeten Commission ausgesprochen habe."
Wenn Sie einverstanden mit diesem Verfahren sind, so bitte ich um kurze, vielleicht telephonische Nachricht.
Während meiner Krankheit erhielt ich von Lorentz einen ungemein liebenswürdigen Brief, worin er mich zu den nächsten Sitzungen der Solvay Gesellschaft einladet. Ich bin sehr stolz darauf und über so viel freundliche Berücksichtigung wirklich gerührt. Ich werde in den nächsten Tagen antworten; sollte mein Gehör nicht in genügendem Maasse wiederkehren, so wäre natürlich, von allem Anderen abgesehen, an eine Theilnahme nicht zu denken.
Hoffentlich geht es Ihnen und Ihrer Familie recht gut und können Sie das Weihnachtsfest in froher Stimmung feiern. Meine und meiner Frau besten Wünsche dazu.
Mit herzlichem Gruss
Ihr
W.C. Röntgen