Aachen d. 30 Januar 1907
Mein lieber Sommerfeld!
Vielen Dank für Ihren freundlichen Brief, der mir zu meiner Freude das Behagen an Ihrer Thätigkeit und an dem Münchner Leben geschildert hat. Ich habe nie daran gezweifelt, daß Sie sich in München wohl fühlen würden; die große Universität läßt Sie mit Sicherheit auf ein gut besetztes Auditorium rechnen, wenn Sie Ihre Lieblingsthemata vortragen, das ist doch das erste was man als Professor sich wünschen muß. Auch /2/ sonst bietet München viel Gutes und Schönes, wenn auch nicht alles Gold ist was glänzt.
Ueber hiesige Neuigkeiten hat Ihnen ja wohl Blumenthal berichtet, so besonders über den Tod von Jürgens. Wie mir Holz mitgetheilt hat, hat die Familie erst wenige Tage vor seinem Tod in Folge einer [?], das Bedenkliche der Lage erkannt, sie hat bis dahin die Krankheit für eine Influenza gehalten. Die Studenten bedauern den Tod von Jürgens lebhaft, er wurde sehr gern gehört.
Die Liste für seinen Nachfolger ist wohl schon in Berlin; in den letzten Tagen zirkulirte sie im /3/ Senat; ich glaube aber nicht daß Einwendungen gegen dieselbe gemacht werden. Selbstverständlich ist Furtwängler wieder an erster Stelle genannt, ich fürchte aber daß der Minister auch diesesmal ihn dem Ackerbauminister wird nicht nehmen wollen; dann wird wohl Hamel an die Reihe kommen. Jedenfalls kann die Angelegenheit bis Ostern geregelt werden.
Für den Geographen ist das Gehalt jetzt auf 1500M. erhöht, der Minister erwartet Vorschläge; nahezu ist damit dem Docenten das Gehalt eines Assistenten bewilligt.
Mit meinem körperlichen Befinden muß ich zufrieden sein /4/ obwohl es nicht gerade vorzüglich ist. Zu einem Spaziergange komme ich kaum mehr, es sei denn, daß ich mit meiner Nichte ein Stündchen gehe, die Samstags-Spaziergänge haben ganz aufgehört. Mit meiner 6 Auflage geht es nur langsam vorwärts, der erste Band ist zu \frac{4}{5} gedruckt, der zweite ist zu \frac{1}{3} durchgearbeitet.
Nun leben Sie recht wohl und seien Sie mit Ihrer Gemahlin herzlichst von mir gegrüßt.
Treulichst Ihr
A. Wüllner.