Danzig-Langfuhr,
Hermannshöfer Weg 8,
den 25. 1. 15.
Lieber Freund!
Ihr Brief vom 19. 1. 15 ist leider erst heute in meine Hände gelangt, so dass meine Antwort nicht mehr zu Ihrer Kommissionssitzung zurecht kommen kann. Ich selbst habe v. Wartenberg nur ganz flüchtig kennen gelernt. In unserem Kollquium hat er uns einmal eine Kleinigkeit vorgetragen. Die war gut und auch gut vorgetragen. Zur Zeit ist er in Berlin um Gummi zu regenerieren. Er ist kein Jude. Krüger habe ich trotz dreimaligen Versuches bis jetzt nicht fassen können, da er heute /2/ militärischen Dienst hat.
Von unserem Herrmann, der bei der Marine sein Freiwilligenjahr als Baueleve abdient, haben wir glücklicherweise bisher immer gute Nachrichten gehabt, zuletzt heute vom 22. 1. die Kunde, dass er am 20. 1 zum Bootsmannsmaat befördert sei. Er befindet sich an Bord der S.M.S. "Zähringen".
Meine Frau ist seit Beginn des Krieges zuerst täglich und jetzt noch an drei Tagen der Woche auf dem Hauptbahnhof in Danzig mit der Herrichtung und der Verteilung von Liebesgaben beschäftigt.
Hertha geht in Cassel ihrer staatlichen Prüfung als Jugendleiterin entgegen und Luise, die seit dem Sommer auch die Schule hinter /3/ sich hat, macht sich bei einer Empfangsstelle für Verwundete, sowie in einem Kindergarten und einem Kinderhort nützlich. Ich selbst gebe neben meinen Vorlesungen, die, wenn auch mit verminderter Hörerzahl in gewohnter Weise abgehalten werden, am hiesigen Realgymnasium Unterricht in IIa und IIb zum Ersatz für eingzogenene Lehrkräfte, während der Herbstferien 10 und jetzt noch 6 Stunden wöchentlich. So pessimistisch wie Sie bin ich nie gewesen. An einen Sieg unserer Waffen habe ich vielmehr stets geglaubt.
26. 1. 15
Krüger habe ich erst gestern abend spät sprechen können. Er sagte, so viel ihm /4/ bekannt, machte v. Wartenberg seinen Unterricht gut, und auf die Frage nach dem Besitz von Organisationstalent, meinte er, er glaube "ja". Ich habe noch hinzuzufügen, dass v. Wartenberg persönlich einen angenehmen Eindruck macht.- Schliesslich bot mir Krüger an, sich alle Ihre Fragen noch einmal genau zu überlegen und mir bis heute früh darüber zu schreiben. Sein eben eingelaufener Brief liegt bei. Den darin erwähnten Dr. Eucken in Berlin hatte er schon gestern abend ganz besonders empfohlen.
Mit vielen herzliche Grüssen von uns allen an Sie und die Ihrigen in alter Freundschaft
Ihr
H. v. Mangoldt