Aachen 12. VI. 04.
Lieber Runge!
Sie haben vielleicht gehört dass Mangoldt als Rektor nach Danzig geht. Wir stehen also vor der Frage der Nachfolge. Wenn ich dabei meine Augen zu Ihnen zu erheben wage, so geschieht es mit einigem Zagen. Es ist eine Zumutung, daß Sie die blühendere Hochschule mit der kleineren vertauschen sollen, daß Sie Ihr schönes Haus aufgeben sollen etc. Andrerseits giebt es auch Manches, was in Ihrem Sinn für Aachen sprechen wird: /2/ Die Anwesenheit Ihrer Schwester, das schöne Land, das Intereße an den anderen Verhältnißen u. Collegen - die Hannover'schen glaube ich kennen Sie hinreichend - außerdem sage ich mir: wenn Ihnen auch nur \frac{1}{10} soviel daran gelegen sein wird mit mir zusammen zu wirken, wie mir mit Ihnen, so kann das immer noch ins Gewicht fallen.
Die Sache wird schliesslich eine Geldfrage sein, ob der Minister Ihre Anforderungen befriedigen kann und ob /3/ Sie für Aachen höhere Anforderungen stellen würden wie für Hannover. Mehr als 6000M wird d. Minister wohl nicht hergeben. Ich bin überzeugt, dass wenn wir Sie haben können, wir uns alle sofort auf Ihre Candidatur vereinigen würden. Vorläufig haben wir in der Abteilung noch keine Vorbesprechung gehabt; diese findet Mittwoch vormittag statt. Ich möchte natürlich nicht, dass wir Vorschläge machen, die sofort in den großen Papierkorb des Cultusministeriums wandern. Deshalb bitte ich Sie sehr, mir /4/ recht bald mitzuteilen, ob Sie Lust haben würden zu kommen u. ob Sie nicht zu teuer sind, womöglich so, daß ich eine - natürlich unverbindliche - Nachricht schon bis Mittwoch früh habe.
Ich stecke tief in der Elektronenth.[eorie] drin und habe eine neue Methode, um die kräftefreien Elektronenschwingungen von Herglotz zu behandeln. Sie werfen einiges vorläufiges Licht auf die Spektrallinien. Möge Ihnen auch dieses ein Lockmittel für Aachen sein. Sie werden übrigens an Hagenbach (dem neuen Wien) einen guten experim.[entellen] Mitarbeiter in Spektrallinien finden.
Herzlich Ihr A. Sommerfeld.