16. VIII. 19
Lieber Runge!
Vor einer Reihe von Jahren empfahlen Sie mir "Spektrall.[linien] und Zeeman-Effekt" zur Bearbeitung. Ich kann Ihnen heute auch etwas über den Zeeman-Effekt melden, das Sie besonders angeht, allerdings etwas Halb-Empirisches. Es handelt sich um die Runge'sche Zahl der anomalen Zeeman-Effekte.
Als sicher muss man ansehen, dass auch beim Zeeman-Effekt das
Combinationsprincip gilt, derart, dass sich die Verschiebung $\Delta
\nu$ (gemeßen in Teilen der normalen Lorentz'schen Verschiebung a) zusammensetzt aus
einer Verschiebung des ersten Terms $\Delta \nu_1$ und des zweiten
$\Delta \nu_2$.
\begin{equation*}
\frac{\Delta \nu}{a} = \frac{\Delta \nu_1}{a} - \frac{\Delta
\nu_2}{a}, \; \; \frac{\Delta \nu_1}{a} = \frac{s_1}{r_1}, \; \;
\frac{\Delta \nu_2}{a} = \frac{s_2}{r_2}
\end{equation*}
$r_1$, $r_2$ Runge'sche Zahlen, $s_1$, $s_2$ die zugehörigen Zähler, die
von Componente zu Componente wechseln. Daher
\begin{align*}
\frac{\Delta \nu}{a} = \frac{s}{r}, \; \; s & = s_1 r_2 - s_2 r_1
r & = r_1 r_2
\end{align*}
Daher mein magnetooptischer
Zerlegungssatz.
/2/ Die Runge'sche Zahl r jeder Termcombination zerlegt sich in die Runge'schen Zahlen $r_1$ und $r_2$ des ersten und zweiten Terms.
Ich bin auf diesen Satz gekommen, weil mir Paschen die Zerlegungsbilder für die I. N.S. der Dubl.[etts] und Tripl.[etts] mitgeteilt hat. Die betr. R.[ungeschen] Zahlen sind 15 und 6; 15 ist durch 3 teilbar (Runge'sche Zahl der H.S. und II. N.S. der Dubl.[etts]), 6 ist durch 2 teilbar (Runge'sche Zahl der H.S. und II. N.S. der Tripl.[etts]).
Man kommt daher zu folgendem Schema der r für die einzelnen Terme: [Tabelle] Als R.[ungesche] Zahl für die Bergmann-Serie (Combination von d- und b-Term) würde folgen 12 und 35 bei den Tripl. und Dubl. Leider nicht beobachtet. Dagegen erwarte ich von Hn. Back Bestätigungen meines Satzes aus den Quecksilber-Linien pi-D und P-di, welche 2.1 und 1.3 sein sollen; insbesondere lässt sich so, da P einfach /3/ ist, der Einfluss des d-Terms der Tripl.-Linien isoliren.
Ist das nicht sehr schön?
Der eigentliche Grund für die Dubl. und Tripl. und daher auch der Grund für die anomalen Zeemaneffekte ist mir aber noch immer unklar. Nur soviel ist sicher, dass in allen ganzzahligen Verhältnissen die Quanten stecken.
Messungen von Miller, die bei Voigt u. Ihnen gemacht sind, stimmen mit meinem Satz zum Teil nicht überein, werden aber auch schon durch die (nicht publicirten) Paschen'schen Resultate widerlegt. Die Miller'schen Messungen sind aber wohl nicht sehr zuverlässig. Wissen Sie sonst Material zu meinem Satz?
Mit den Vektoren werden Sie wohl recht haben; die Benutzung der reciproken Einheitsvektoren ist mir geläufig und sympathisch. Trotzdem habe ich eine Abneigung gegen die überwuchernde $\nabla$-Symbolik, die aber mehr didaktischen wie wissenschaftl. Ursprungs ist.
Beste Grüsse von
Ihrem A. Sommerfeld.
Wenden!
/4/ Ich behaupte nur, dass die Runge'schen Zahlen sich glatt kombiniren. Die Intensitäten brauchen es nicht zu tun. Auch kann, trotzdem z.B. in der I. Triplett-Neben-Serie die Runge'sche Zahl 6 ist, bei einzelnen Componenten des vollständigen Tripletts als Runge'sche Zahl 2 auftreten, was nur heisst, dass die Zähler sämtlich durch 3 teilbar sind - bei den von Ihnen zusammen mit Paschen gemeßenen Hg-Linien pid" ist das der Fall.
Ein interessanter Satz, der offenbar allgemein gilt, lautet: Wenn der p-Term zweifach oder dreifach ist, ist es auch der d-Term (also wohl auch der b-Term?) Scheinbare Ausnahmen (bei Na, Mg, .. sind darauf zurückzuführen, dass hier die Trennung des d-Termes zu gering ist. Auch dieser Satz ist vom Modell-Standpunkt aus unverständlich.