München, den 21. X1916.

Sehr geehrter Herr Doctor!

Entschuldigen Sie mein langes Schweigen! Als ich Ihretwegen vom hiesigen Generalkommando antelephonirt wurde, dem ich mitteilte, dass Ihr Besuch später sehr willkommen sei, steckte ich gerade mitten im Lehramts-Examen. Inzwischen schrieb ich an Dr. Glocker, Stuttgart (vgl. letzte Nr. d. Phys. Ztschr.) u. lud ihn ein, herzukommen um zusammen mit Ihnen im Colloquium vorzutragen. Ich habe keine Antwort von ihm und nehme an, dass er vorläufig nicht kommen wird.

Ich möchte Sie nun aber nicht länger im Ungewissen lassen und schlage daher vor, dass wir die Zeit vom 14. November (Mittw.) ab für unsere Colloquia in Aussicht nehmen, die sich dann wahrscheinlich über 3 Tage erstrecken werden. Ich bitte Sie also um freundl. Zustimmung, damit ich das Weitere veranlassen kann, oder um Gegenvorschläge. Der 7. November passt weniger gut, weil dann das Semester erst eben begonnen hat; der 21.te ist mir ebenso recht wie der 14.te; ich bitte also zu entscheiden. Dass Sie überhaupt zu kommen bereit sind, darf ich nach Ihrem letzten Brief hoffen.

Zu letzterem folgende Bemerkungen:
1). Sie berechnen aus Wagners Messungen Werte von $\Delta$ für die verschiedenen Intervalle von Z. Das geschieht wohl bei Zugrundelegung der Formel $\nu$1 = $ \frac{N(Z - \Delta)^2}{1^2}$. Letztere muss ich nach meiner Anschauung über die Elektronenwolke /2/ nicht für naturgemäss erklären.
2) In meiner Isolierung der Terme aus den Dubletts ist, soviel ich sehe, über die Constanz der $\Delta$ nichts vorausgesetzt; auch "rechne" ich nicht mit der Ganzzahligkeit der $\Delta$. Es hätte mich allerdings befriedigt, wenn sie ganzzahlig herausgekommen wären. Die Constanz der $\Delta$ ergiebt sich bei mir zwangsläufig. Ich denke mir vorläufig, im Gegensatz zu Kossel, die inneren Ringe von Elektronen nicht besetzt. Doch sind meine Resultate von dieser Vorstellung unabhängig, soviel ich sehe.
3). Dass die Paschen'schen Meßungen bezüglich der irrealen Linien meine ursprüngliche Vermutung nur teilweise bestätigen, beim Funkenspektrum sogar ganz widerlegen, habe ich Ann. p. 24-28 und p. 84 stark betont.
4). Über die $\gamma$-Strahlen, die mir zunächst ferner liegen, hoffe ich mündlich viel von Ihnen zu erfahren.

Mit ergebenstem Gruß
A. Sommerfeld.