Würzburg, 22. Dezember 1914
Pleicherring 8
Sehr geehrter Herr Kollege!
Herr Prof. Stark in
Aachen hat mich aufgefordert, die deutschen Physiker
zu veranlassen, den Oberhand nehmenden englischen Einfluss in der
deutschen Physik zu bekämpfen und er hat dabei
bemerkenswerte Gesichtspunkte geltend gemacht. Zu gleicher Zeit ist
mir aus der Schweiz die Erklärung der englischen
Professoren zu geschickt, die sehr deutschfeindlich
abgefasst ist und keine Spur von Verständnis für deutsches Fühlen und
Denken zeigt. Von englischen Physikern haben folgende diese
Erklärung unterschrieben:
Bragg, Lamb, Lodge, Ramsay, Rayleigh, J. J. Thomson, Crookes, Fleming.
Den ersten sechs, mit denen ich persönlich
bekannt war, habe ich geschrieben, dass die ohne alle Kenntnis
deutschen Wesens abgefasste Erklärung mir jede Hoffnung genommen habe,
dass die durch den Krieg abgeschnittenen persönlichen Beziehungen
zwischen Deutschen und Engländern, die an den allgemeinen
Kulturaufgaben arbeiten, in absehbarer Zeit wieder angeknüpft werden
können. Es scheint mir jetzt tatsächlich geboten, dass der
unberechtigte englische Einfluss, der in die deutsche Physik
eingedrungen ist, wieder beseitigt wird.
Es kann sich selbstverständlich nicht darum handeln, die englischen wissenschaftlichen Ideen und Anregungen abzulehnen, aber die so oft getadelte Ausländerei der Deutschen[ ]hat auch in unserer Wissenschaft sich in sehr bedenklicher Weise gezeigt. Dazu gehört in erster Linie, dass in unserer physikalischen Literatur wissenschaftliche Leistungen sehr oft Engländern zugeschrieben werden, während sie in Wirklichkeit von unseren Landsleuten herrühren. Dass die Engländer gerade umgekehrt handeln, ist bekannt; durch das deutsche Verhalten werden sie in ihrem Vorgehen natürlich nur bestärkt. Ebensowenig ist zu billigen, dass deutsche physikalische Abhandlungen in englischen Zeitschriften veröffentlicht werden, wenn /2/ es sich nicht um Erwiderungen handelt. Endlich sind wir in letzter Zeit von unsern Verlegern mit englischen Büchern geradezu überschwemmt. Manche Werke sind sogar in englischer Sprache bei deutschen Verlegern erschienen. Die in Übersetzungen erschienenen englischen Bücher sind keineswegs alle oder auch nur zum grösseren Teil besonders bedeutende Werke.
Ich möchte mir daher die Frage erlauben, ob Sie geneigt sind, die beiliegende Aufforderung zu unterschreiben, die an sämmtliche Dozenten der Physik Deutschlands, Österreichs und der deutschen Schweiz, sowie an alle Mitglieder der deutschen Physik.-Gesellschaft zu verschicken wäre. Wenn Sie gestatten, Ihren Namen den andern beizufügen, bitte ich um Antwort bis zum 10[.] Januar 1915.
Mit besten Wünschen zum neuen Jahr
Ihr Wien