München, den 21. Juli 1922.
Herrn J. W. Fisher.
Sehr geehrter Herr!
In Bezug auf die Möglichkeit Ihrer Promotion in München möchte ich, um für die Zukunft alle Zweifel und etwaigen sprachlichen Misdeutungen auszuschalten, Folgendes schriftlich festlegen - in Übereinstimmung mit dem, was wir mündlich besprochen haben.
Nachdem ich aus den Uebungen im vorigen Wintersemester schliessen zu können glaubte, dass Sie in Ihrem theoretisch-physikalischen Können den älteren deutschen Studenten ebenbürtig seien, habe ich Ihnen ein Thema zu einer selbständigen Arbeit gegeben, das von actuellem Interesse ist und dessen schnelle Behandlung mir wichtig war. Ich bin aber von Ihrer Behandlung des Themas nicht befriedigt. Sie haben bisher von sich aus wenig dazu beigetragen, das Ihnen bezeichnete Ziel, (Uebersicht über die im Sichtbaren zu erwartenden Linien von H2+,) zu erreichen. Was Sie hierüber bisher gefunden haben, wurde Ihnen von Dr. Wentzel oder mir suggerirt. Ich habe mich überzeugen müssen, dass Sie an selbständigem Können meinen deutschen Doctoranden unterlegen sind. Von sich aus haben Sie wesentlich nur eine numerische Rechnung mit elliptischen Integralen ausgeführt, die nicht den Kern der Sache traf.
Die Wohnungsschwierigkeiten zwingen uns, jedes Semester viele deutsche Studirende abzuweisen und legen uns daher in der Zulassung von Ausländern die grössten Schwierigkeiten auf. Für das nächste Semester, während meiner Abwesenheit, ist Ihre Anwesenheit in München nicht zu begründen und wird sicher abgelehnt werden. Ich halte es auch für wahrscheinlich, dass Ihre Immatrikulation im nächsten Sommer auf Schwierigkeiten stossen wird, da ich nach dem oben Gesagten den Erfolg Ihrer wissenschaftlichen Arbeit nicht verbürgen kann. Ich werde mich nicht gegen, aber auch nicht stark für Ihre Immatrikulation im nächsten Sommer aussprechen.
/2/ Um Ihnen entgegenzukommen will ich mich einverstanden erklären, dass Sie das Ihnen überlassene Thema ausserhalb Münchens weiter behandeln und mit ihm eventuell in England promovieren. Ich erwarte von Ihrer Loyalität, dass Sie denjenigen Ihrer Landsleute, die sich für den Erfolg Ihrer Münchener Studien interessiren, diesen Brief zu lesen geben werden.
Ihr ergebener [Arnold Sommerfeld]