München, den 14. Mai 1924.
Lieber Herr Kollege!
Ich danke Ihnen verbindlichst für Ihren freundlichen Brief vom 22. I. und für die Abschrift Ihres Vortrags in der American Association, letzteren habe ich bei einer kürzlichen Reise nach Holland mehreren der dortigen Physikern gezeigt. Ich habe nicht nur ein allgemeines Interesse an Ihrer Entdeckung sondern auch ein spezielles. In der neuen Auflage meines Buches habe ich gleich im ersten Kapitel hinter Einsteins photoelektrischem Gesetz Ihren Versuch besprochen. Sollte also seine experimentelle Evidenz inzwischen geschwächt sein, so möchte ich dies gern, wenigstens in einem Zusatz im Schluss des Buches hervorheben. Dies ist noch möglich, da sich der Druck wohl noch einige Monate hinziehen wird.
Es wird Sie interessieren, dass Einstein kürzlich in dem Berliner Tageblatt geschrieben hat.
Sehr eigentümlich sind die Ergebnisse von Bergen Davis, die er mir brieflich mitteilte. Die kontinuierliche Abnahme des [$\Delta \lambda$] mit wachsendem Atomgewicht kann man vielleicht durch die Annahme einer geeigneten Bindung des Elektrons erklären, aber dass für Lithium das [$\Delta \lambda$] noch etwas über den quantentheoretischen Wert steigen soll, ist ganz unverständlich. Wenn eine Abhängigkeit vom Atomgewicht da ist, sollte sie eigentlich bewirken, dass man bei den schweren Atomen verschiedene [$\Delta \lambda$] für die Elektronen von verschiedener Bindungsstärke erhält. Davon ist offenbar weder bei Ihnen noch bei Ross noch bei Bergen Davis etwas zu sehen. Was Duane betrifft, so halte ich es für möglich, dass seine "tertiäre Strahlung" nichts mit Ihrem Effekt zu tun hat. Bohrs neue Theorie im Phil. Mag. gefällt mir nicht sehr, ich glaube sie wird das /2/ Schicksal aller Kompromisse teilen. Ich stimme vielmehr mit dem Standpunkt Ihres Vortrags in der American Assoziation überein als mit Bohr.
Mit besten Grüssen
Ihr [Arnold Sommerfeld]