München, den 19. Juni 1925.

Sehr geehrter Herr Kollege!

Auf Ihr gefälliges Schreiben vom 3. Juni möchte ich erwidern:

ad 1. Die Arbeiten des Utrechter Universitätslaboratoriums, die Herr Ornstein mit Hilfe der Herren Moll, Burger, van Zittert etc. so grosszügig organisiert hat, haben sich als fundamental erwiesen und werden überall wo man sich für Spektroskopie interessiert, auf das Höchste gewertet. Ich weiss, dass ausser mir Niels Bohr die Utrechter Intensitätsmessungen ausserordentlich hochschätzt. Ferner führe ich an, dass Messungen nach derselben Methode in Bonn wiederholt werden und dass Herr Back in Tübingen entsprechende Messungen bei den Zeemanaufspaltungen ausführen wird. Sicherlich ist der Spektrospkopie durch die Utrechter Arbeitsorganisation ein neues besonders fruchtbares Gebiet hinzugefügt, welches über die Grundlagen der Quantentheorie wertvollste Aufschlüsse verspricht.

ad 2. Alle fünf von Ihnen genannten Physiker sind zweifellos hervorragende und originelle Forscher.

Dr. Back ist die erste Autoritat auf dem Gebiet der minutiösen Ausmessung und Deutung von Zeemaneffekten.

Dr. Burger hat, wie allgemein bekannt ist, einen grossen Anteil an den soeben geschilderten Erfolgen der Utrechter Arbeiten und ist experimentell und theoretisch gleich kompetent.

Professor Koster hat als früherer Mitarbeiter von Siegbahn und Bohr die grösste Erfahrung auf dem Gebiet der Röntgenspektren und besitzt als Mitentdecker des Haffniums einen grossen Namen.

/2/ Dr. Hertz hat nicht nur früher mit I. Franck die Methode des Elektro[nen]stosses eingeleitet, sondern handhabt sie auch jetzt, während seiner Tätigkeit in Eindhoven, mit grösstem Scharfsinn und Erfolge.

Dr. Holst besitzt als früherer Mitarbeiter von Kammerlingh-Onnes beträ[cht]liche Verdienste um die Entdeckung der Supraleitung und hat über dies inter[es]sante Arbeiten auf dem Gebiete des Magnetismus aufzuweisen. In der spektroskopischen Richtung, die ja für die Utrechter Verhältnisse in erster Linie wichtig sein dürften, hat er sich mehr gelegentlich betätigt (ich erinnere mich einer lehrreichen Arbeit über Cyanbanden).

Ad 3. Sicherlich hat Dr. Kramers wegen seiner langjährigen Zusammenarb[eit] mit Bohr als theoretischer Physiker einen grösseren Namen als Dr. Burger.

B[ei] seiner tiefgründigen Gelehrsamkeit und hohen physikalischen Begabung ist an[zu]nehmen, dass Dr. Kramers auch ohne den unmittelbaren Kontakt mit Bohr erfol[g]reich weiterarbeiten wird. Trotzdem glaube ich, dass die Fakultät es verant[wor]ten kann Dr. Burger neben oder vor Dr. Kramers ins Auge zu fassen, einmal w[eil] Dr. Bu[r]ger nicht nur theoretisch, sondern auch experimentell vorzüglich ist[,] sodann weil seine Zusammenarbeit mit Prof. Ornstein besonders fruchtbar war und sein wird.

Um in Hinsicht auf Dr. Burger meine Meinung ganz klar zu formulieren, [möch]te ich sagen: Sicherlich haben die Herren Back, Koster, Hertz vielleicht au[ch] Holst, jeder auf seinem Gebiet als Experimentatoren einen grösseren Namen a[ls] Dr. Burger, aber die umfassenden Fahigkeiten von Burger und seine besondere Eignung fur die Utrechter Bedürfnisse würden es trotzdem rechtfertigen ihn [zu] bevorzugen. Die Förderung der in Utrecht einmal begonnenen erfolgreichen Arb[eits]richtung sollte meiner Meinung nach der Hauptgesichtspunkt bei der Nachfolg[e] von Professor Julius sein.

Mit hochachtungsvollem Gruss