München, den 23. Mai 1924.
Lieber Herr Kollege!
Ihr freundlicher Brief hat mich in Holland erreicht, wo ich namentlich mit Ornstein hochinteressante Besprechungen über die Fortführung der Utrechter Intensitätsmessungen hatte. Ich danke Ihnen sehr, das Sie mir die schöne Entdeckung der Quartettsysteme von Al und C mitgeteilt haben, die so fein in das allgemeine Multiplettschema passt. Die Aufsuchung von Multipletts bei Tl hatte ich in Amerika mehrfach angeregt. Dass der Grundtherm von C nun wirklich ein p-Term wird, ist ein harter Schlag für Bohrs sonst so überzeugende Modellfolge. Ebenso der ffff-Term als Grundterm von V. Ueber den X-Term von Cu hoffe ich bald etwas Näheres zu erfahren, wenn Ihre Herren die Arbeit über Zn und Cd veröffentlichen. Wie schön sich der Delcambon'sche p-Term in das Calciumspektrum einfügt, haben Sie wohl schon in der Wentzel'schen Note, Phys. Ztschft., gesehen. Ich bringe diese Dinge zusammen mit der ganzen Systematik der Mehrfachterme in der neuen Auflage meines Buches an der fleissig gedruckt wird.
Sie fragen nach meiner Meinung über das Relativitätsdublett. Ich bin
überzeugt, dass die relativistische Theorie richtig ist; sie wird
durch die Anzahl und Lage der Komponenten sichergestellt. Aber die
Grösse von = 0,365 möchte ich nicht mit gleicher
Sicherheit behaupten. Die Massenformel
/2/ Die Möglichkeit Abraham an Stelle von Einstein zu setzen, ist natürlich indiscutabel und entspringt dem fanatischen Geist der Lenard, Gehrke, Lau. Sehr nachdenklich hat mich aber hat mich der Nachweis von Lau//e// gemacht, dass bei den höheren Analogen von 4686, wo das ideale Triplett immer reiner herauskommen sollte, die -Werte merklich kleiner bleiben, während ihr Verhältniss sehr genau 1:3 wird. Vergl. den Bericht von Lau S. 65 rechts unten. Mc Lennans glänzende Bestätigung unseres -Wertes bedeutet nicht viel, bei der bekannten Unzuverlässigkeit desselben. Ich meine also suchen Sie jedenfalls neue genauere Werte der Feinstrukturkonstanten zu erhalten. Die Theorie dazu werden wir schon nachliefern.
Es ist sehr interessant, dass aus der Lande'schen Polemik gegen die relativistische Auffassung der Röntgendubletts schliesslich eine ungeheure Erweiterung des Gültigkeitsbereiches des relativistischen Formel herauszukommen scheint, vielleicht ebenso sicher und jedenfalls ebenso unverständlich im sichtbaren wie im Röntgengebiet.
Nun noch eine geschäftliche Anfrage. Wir haben hier Gastvorlesungen und erwarten Ende des Jahres Planck für 3 Vorlesungsstunden. Ich bin ermächtigt Sie ebenfalls einzuladen, Wien schliesst sich meiner Bitte an. Reise 2. Klasse und hiesiger Aufenthalt werden ersetzt, mehr können wir leider nicht geben. Thema ganz wie Sie wünschen. Besonders geschätzt wird es, wenn Sie einen allgemeinen Vortrag für alle Fakultäten hielten, das Uebrige Caviar für Fachspektroskopiker. Ich soll Sie sogar bitten möglichst bald zu kommen, d.h. noch in diesem Semester und möglichst nicht gegen Ende desselben. Aber ich fürchte Sie werden vor Ihrer Amerikafahrt keine Lust zu Seitensprüngen haben. In diesem Falle merken Sie uns bitte für das nächste Jahr vor.
Für Amerika wünsche ich Alles Gute, Sie werden sich dort sicher sehr wohl fühlen.