München, den 25. Juli 1927.
Lieber Herr Kollege!
Vor etwa zwei Jahren habe ich Sie im Auftrage der Münchener Universität um Gastvorlesungen gebeten. Sie waren so freundlich im Prinzip zuzusagen. Dann kam die Angelegenheit wohl durch Ihre Uebersiedlung nach Berlin in Vergessenheit. Aber wir melden uns von Neuem. Würde es Ihnen nächsten Winter passen, um welche Zeit? und Was würden Sie bringen? Wir zahlen kein Honorar, erstatten aber die Unkosten im vollen Umfange, also in Ihrem Falle, die Reise 2. Klasse für Sie und Ihre Frau Gemahlin und Hotelrechnung.
Ueber ihre spektrosokopischen Methoden und Resultate werden Sie uns besser im kleineren Kreise des Kolloquiums vortragen, 2 oder 3 mal, je nachdem es Ihnen passt. Gleichzeitig möchte ich fragen, ob Sie auch einen allgemeinen Vortrag für Hörer aller Fakultäten halten würden, z.B. über physikalische Präzisionsmethoden im Allgemeinen oder über die Tätigkeit der Physikalischen Reichsanstalt. Natürlich würde ein solcher Vortrag besonders dankbar aufgenommen werden. Wenn er Ihnen aber zu viel Mühe macht, sind wir auch für die Spezialvorträge allein dankbar.
Sicherlich haben Sie mich schwer verurteilt, dass ich die Berliner Pflichten nicht übernommen habe. Es war nicht blos eigene Bequemlichkeit und Rücksicht auf die hiesigen Regierungstellen, die mich mindestens ebenso gut behandelt haben, wie Herr Richter, sondern auch Rücksicht auf meine Frau, die gerade jetzt etwas leidend ist und ferner die Ueberzeugung dass ich dem physikalischen Nachwuchs in München besser dienen kann, als in dem turbulenten Berlin.
/2/ Ihre freundliche Aufnahme machte ganz klar, dass ich von Ihnen und der Reichsanstalt für meine Berliner Tatigkeit sehr viel Förderung erfahren hätte und ich habe diesen Umstand bei den Erwägungen München contra Berlin als wichtigen Aktivposten für Berlin eingesetzt.
Vielleicht erzählen Sie Dr. Meissner, dass ich mich in diesem Semester energisch für fermische Statistik und Gasentartung interessiert habe und dass ich gewichtige Gründe für die Richtigkeit der Fermi'schen Entartungsformel habe.
Mit herzlichen Grüssen
Ihr ganz ergebener [Arnold Sommerfeld]