München, den 12. November 1936.
Betreff: Vorträge von Professoren im Ausland.
Euer Magnifizenz
bitten die Unterzeichneten, die hier folgenden Wünsche und Erwägungen an zuständiger Stelle vertreten zu wollen.
Nach Anordnung des Reichs-Cultus-Ministeriums müssen alle Professoren für Vorträge im Ausland, zu denen sie eine Einladung erhalten haben, um die ministerielle Erlaubnis in Berlin nachsuchen. Unserer Überzeugung nach liegt in dieser Anordnung ein unberechtigtes Misstrauen gegen die amtierenden Professoren, deren Stellung gegenüber dem Auslande dadurch beeinträchtigt wird.
Bald nach dem Kriege waren Einladungen an deutsche Gelehrte aus vorher neutralen und auch aus feindlichen Ländern besonders häufig, wegen der damals günstigen wirtschaftlichen Lage dieser Länder. Die Professoren hatten dabei Gelegenheit, das alte Ansehen der deutschen Wissenschaft wiederherzustellen. Ja es kam vor, dass deutsche politische Vertreter solche Besuche von Professoren benützten, um in ungezwungener Weise den gesellschaftlichen Verkehr mit den ausländischen Kreisen wieder anzuknüpfen. Da es sich fast immer um Vorträge über Gebiete des wissenschaftlichen Fachs handeln wird, kann man es unserer Meinung nach dem Eingeladenen ohne jedes Wagnis überlassen, ob er Vorträge halten will oder nicht. Wir glauben auch, dass den jetzt an den deutschen Hochschulen wirkenden Gelehrten dasjenige Mass an Urteil und Takt zuerkannt werden sollte, das sie davor schützt, im Ausland irgend etwas zu tun oder zu sagen, was dem Interesse des Deutschen Reichs abträglich sein könnte. Wir haben vielmehr das feste Vertrauen, dass sie überall im Ausland der deutschen Sache nur nützen werden.
Es würde unsere deutschen Verhältnisse blos stellen, wenn man genötigt wäre, eine Einladung in's Ausland dahin zu beant/2/worten, dass man ihre Annahme von der Genehmigung der vorgesetzten Behörde abhängig machen müsse. Einige von uns erinnern sich des schlechten Eindrucks, den es bei einer wissenschaftlichen Versammlung in Rom machte, als ein eingeladener russischer Gelehrter wegen versagter oder verspäteter Genehmigung seine Mitteilungen durch einen Italiener verlesen lassen musste. Es kann erfahrungsgemäss auch vorkommen, dass man bei einer privaten Auslandsreise einen Kollegen besucht und dieser um einen Vortrag für seine Studenten bittet, in welchem Falle also ein Genehmigungs-Gesuch überhaupt ausgeschlossen ist.
Bei internationalen Kongressen, zu denen nicht der einzelne, sondern die Gesamtheit der einschlägigen Fachgenossen eingeladen wird, liegt die Sache wegen der Devisenfrage anders; hier mag es nötig sein, die Teilnehmerzahl einheitlich zu regeln. Bei Gast-Vorträgen dagegen, die fast immer honoriert werden, macht die Devisenfrage keine Schwierigkeit; sie dienen, im Gegenteil, wenn auch in bescheidenem Masse der Stärkung unserer Devisen.
Unserer Überzeugung nach wäre die Frage der Auslandsvorträge deutscher Professoren am zweckmässigsten derart zu regeln, das[s] der Eingeladene dem Rektor seiner Hochschule von einer Einladung, die er anzunehmen beabsichtigt, alsbald Mitteilung macht. Etwaige Bedenken wären dann immer noch zur Geltung zu bringen. Die derzeitigen Anordnungen sind praktisch kaum durchführbar und dem Ansehen der deutschen Wissenschaft im Auslande abträglich.