München, den 20. November 1940.
Sehr geehrter Herr Doktor!
Gestatten Sie eine unbefugte aber ganz bescheidene Einmischung in Ihre Verlagsgeschäfte. Ich höre von gewissen Schwierigkeiten, die bei der Redaktion der Zeitschrift für Kristallographie aufgetreten sind. Diese Zeitschrift war ein Muster internationalen Charakters, wie wir es auf unserem Gebiet in früheren Zeiten nur bei der Zeitschrift für Physik gehabt haben, wo Russen, Skandinavier, Schweizer u.s.w. publiziert haben. Der internationale Charakter der Zeitschrift für Kristallographie muss nach dem Kriege unbedingt wiederhergestellt werden. Das werden Sie auch aus Verlagsgründen bestätigen. Es müssen daher Plätze in der Redaktion für ein oder zwei auswärtige Mitglieder offengehalten werden (womöglich einen Vertreter englischer oder amerikanischer Wissenschaft und Herrn Niggli). Eine weitere notwendige Voraussetzung ist, dass Laue in der Redaktion bleibt, dessen Namen mit der modernen Kristallphysik unlösbar verbunden bleibt und der allein den erforderlichen internationalen Klang hat. So viel ich weiss braucht v. Laue als Beirat Prof. Menzer, der ja von Hause aus nicht Physiker sondern Mineraloge ist. Ich glaube daher, dass zwei /2/ weitere deutsche Redaktöre zuviel sind. Insbesondere möchte ich von Herrn Eitel abraten, der meiner unmassgeblichen Meinung nach der internationalen Zusammenarbeit nicht förderlich sein würde. Eher wäre, wenn Sie dem Wunsche der Mineralogen nachgeben zu sollen meinen, Herr Steinmetz tragbar, der ein konzilianter Mann ist. Für Ablehnung von Eitel spricht auch der Umstand, dass nicht die ganze Redaktion in Berlin sitzen sollte. Der Standpunkt der Mineralogen kommt mir sehr eng vor. Ich erwähne dazu zwei Parallelen. Ich war in Leipzig von Karl Neumann etwa 1903 als Professor für theoretische Physik vorgeschlagen, wurde aber von dem Experimentalphysiker abgelehnt, weil ich "Mathematiker" wäre. Aehnlich unser bester Astrophysiker Unsöld. Er bekommt keinen astronomischen Lehrstuhl, weil er "theoretischer Physiker" sei.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Nur keine nationale und keine fachliche Engherzigkeit!
Auf Ihre freundliche, mich betreffende Anregung hat Ihnen wohl mein Kollege Clusius schon geantwortet, dass ich diese in ernstliche, aber unverbindliche Erwägung ziehen werde.
Mit freundlichen Grüssen
[Arnold Sommerfeld]