München, den 21. Juli 1925.

Sehr geehrter Herr Kollege!

Ihre Anfrage will ich nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.

1) Unter den von Ihnen genannten Herren steht natürlich Starck an erster Stelle, nach wissenschaftlichem Ansehen und Leistungen. Ob er jetzt geneigt ist, eine Universitätsstelle anzunehmen, nachdem er die Würzburger Professur zu Gunsten seiner technischen Interessen aufgegeben hat, entzieht sich meinem Urteil. Es wird Ihnen bekannt sein, dass Starck mit der Fakultät in Würzburg und mit der Abteilung in Aachen persönliche Schwierigkeiten hatte. Im Interesse der deutschen Wissenschaft, die einen Mann von der Bedeutung Starck nicht gut entbehren kann, wäre es nur zu begrüssen, wenn Sie sich an diesen persönlichen Schwierigkeiten nicht stossen wollen. Allerdings müssen Sie dabei in Kauf nehmen, dass Starck die beiden grössten wissenschaftlichen Er[r]ungenschaften der Physik des 20. Jahrhunderts, Relativität und Quanten, leidenschaftlich bekämpft und seine Abneigung dagegen zweifellos auch in seinen Universitätsvorlesungen zum Ausdruck bringen wird. Wegen der Art seiner Kritik sollten Sie seine Schrift "Krisis der modernen Physik" ansehen. Im 1. Kapitel wird Einstein, im 2. Bohr und ich, im 3. Nernst abgeschlachtet.

Ebenso hoch wie Starck stelle ich Gustav Hertz, den Neffen von Heinrich Hertz, und früheren Mitarbeiter von I. Franck in der Ausarbeitung der Methode des Elektronenstosses, die er mit grössten Erfolgen und selbstständiger Vervollkommnung handhabt. Er ist auch persönlich ein ungemein liebenswerter, anregender und hochkultivierter Mann, etwa 40 Jahre alt. Ich hätte ihn, wenn Willi Wien das Präsidium der Reichsanstalt übernommen hätte, auf unsere Münchener Liste gebracht. Er ist seit etwa 5 Jahren in Philips Glühlampenwerken Eindhoven, Holland, tätig, wo er rein wissenschaftliche Arbeiten ausgeführt hat. In Amerika konnte ich mich überzeugen, dass fast alle Laboratorien der /2/ U.S.A. mit den von Franck und Hertz entwickelten Methoden arbeiten. Ic[h] weiss, dass Hertz gern an eine deutsche (nicht an eine holländische) Universität zurückkehren würde.

2) Klemens Schäfer ist ein Mann von ausgebreitetem wissenschaftlich[en] Ueberblick auf theoretischem und experimentellem Gebiete. Seine Untersuchungen über die ultraroten Eigenschwingungen der Kristalle sind sehr verdienstvoll. Seine theoretischen Arbeiten scheinen mir zwar keine originellen Leistungen zu sein, zeugen aber von grosser Schulung, insbesondere sein bekanntes Lehrbuch.

Auf gleiche Stufe mit Klemens Schäfer würde ich Ladenburg und Pringsheim stellen. Ladenburg hat ganz originelle Ideen über Atomphysik entwickelt und sich i[n] den schwierigsten experimentellen Arbeiten glänzend bewährt.

Pringsheim hat auf dem Gebiet der Phosphoreszenz und Fluoreszenz sowie dem des lichtelektrischen Effektes mit vollem Erfolg gearbeitet und die schwierige Vertretung von Rubens in Berlin vortrefflich durchgeführt.

Pohl ist berühmt wegen seiner glänzenden Organisation der Experimentalvorlesung in Göttingen und auch als Forscher vortrefflich. Dass er von Göttingen fortgeht, nachdem er Würzburg abgelehnt hat, scheint mir unwahrscheinlich.

Mindestens ebenso hoch, wie ihn und die anderen unter 2) genannten schätze ich Geiger (Reichsanstalt); ich glaube aber, dass auch dieser schwer für Sie zu haben sein wird, da er sich inzwischen vielleicht für Kiel verpflichtet hat und auch in Erlangen in 1. Linie in Betrach[t] kommt.

3) Waetzmann ist auf seinem Gebiete (Akustik) vorzüglich, übrigens Ihnen besser bekannt als mir. Ich hatte ihn schon, auf eine Anfrage von F. Nöther wärmstens für die dortige Technische Hochschule empfehlen.

Zwei ausgezeichnete Experimentatoren sind sodann: Steubing, Aachen[,] und Hoffmann, Königsberg, ersterer auf spektroskopischem, letzterer auf /3/ radioaktivem Gebiet mit originellen Arbeiten hervorgetreten.

Ihren Sohn haben wir immer gern bei uns gesehen und uns an seiner feinen Art gefreut.

Mit hochachtungsvollen Grüssen
[Arnold Sommerfeld]