1. III. 16.

Lieber Sommerfeld!

Ihre Spektrallinienarbeit ist ein gewaltiger Schritt vorwärts, zu dem man Ihnen von Herzen gratulieren kann. Es ist eine kühne Idee, die Quantentheorie auf solche komplizierten Fälle anzuwenden, wo sie im einfachsten noch kaum verständlich ist, und sie mit der mysteriösen Bohr'schen Gleichung $h \nu = W_n - W_{n'}$ zu verbinden. Aber ich lasse mich durch den Erfolg bekehren, und vor allem an der Duplettheorie vom Wasserstoff bis zu den Roentgenspektren ist nicht zu deuteln.

Wissen Sie, wie ich vorschlagen würde, die Quanten/2/theorie über den linearen Resonator hinaus zu erweitern? Folgendermaßen: Ich verallgemeinere nicht so weit wie Planck, sondern beschränke mich auf die integrierbaren mechanischen Probleme. Darunter gehören alle bisher in Frage kommenden Fälle. Die Bewegungsgleichungen mögen in kanonischer Form lauten: \begin{eqnarray*} p_i = \frac{\partial H}{\partial q_i}, \; q_i = -\frac{\partial H}{\partial p_i}, \; H \textrm{ Energie.}
i = 1, \dots \; n \end{eqnarray*} Die Integrale in allen bekannten Problemen sind, von singulären Lösungen abgesehen, von der Form: \begin{align*} p_i &= p_i [a_1, a_2, \dots a_n, w_1, w_2, \dots w_n]
q_i &= q_i [ \hphantom{a_1, a_2, \dots a_n, w_1, w_2, \dots w_n}] \end{align*} Dabei sind $a_1, a_2, \dots a_n$ Integrationskonstanten. Die w sind der Zeit proportionale Winkel: $w_k = n_k t + \beta_k$ ($\beta_k$ die anderen Integrationskonstanten).* Ich denke mir die Integration nach Jacobi ausgeführt, sodaß die $a_k, w_k$ ein neues /3/ System kanonischer Variablen werden: \begin{equation*} \frac{d a_k}{d \tau} = -\frac{\partial H}{\partial w_k} = 0 \qquad \qquad \frac{d w_k}{d \tau} = \frac{\partial H}{\partial a_k} = n_k \end{equation*} Das Phasenintegral für jedes Variablenpaar $a_k, w_k$ wird: \begin{equation*} \int\limits_{(a_k)_0}\limits^{(a_k)_n} da_k dw_k = h n \end{equation*} Über jedes $w_k$ ist selbstverständlich von null bis $2 \pi$ zu integrieren. Also: \begin{equation*} (a_k)_n = \frac{h n}{2 \pi} n = 1, 2, 3, \dots \infty. \end{equation*} Oder anders ausgedrückt: "Ich nehme als eine Reihe Variabler die der Zeit proportionalen Winkel, die in der "eindeutigen" Lösung des Problems vorkommen. Ich bestimme die Variablen $a_k$, die zu den Winkelvariablen kanonisch konjugiert sind. Diese Variablen $a_k$ haben als ausgezeichnete Werte Vielfache des Wirkungsquantums $\frac{h}{2 \pi}$.["]

Wendet man diese Vorschrift auf die relativistische Keplerbewegung an, so kriegt man schnurstracks /4/ die Resultate Ihrer Nachschrift, die für mich dadurch [erst recht?] zwingend werden. Ferner liefert diese Vorschrift auch einen zwingenden Ansatz für den Starkeffekt und für den Zeemaneffekt.-

Ich bin auf einer Dienstreise nach Brüssel, habe gerade in der Bahn Anwendung auf Zeemaneffekt versucht und finde für Wasserstofftypus, soviel ich sehe

[Skizze]

Ob das stimmt? Ich weiß nicht mehr wie es wirklich ist.

Entschuldigen Sie Geschmier und mangelnde Präzision, es geht in Eile.

Viele Grüße Ihr
K. Schwarzschild.

*Die räumlichen Coordinaten der Körper sind eindeutig (von der Periode 2$\pi$) in den Winkeln $w_1, w_2 \dots w_n$.