Utrecht, 27-11-03

Lieber Herr College,

Vielen Dank für Ihre freundlichen Bemerkungen anlässlich des Aufsatzes.

Die Sache ist bisher allgemeiner gehalten worden wegen des schweren Kreisels, und der Möglichkeit dielectrischer Kreisel (z.B. bei pyroelectrischen Krystallen ??) Die Formeln /2/ lassen sich aber sogar sine grano salis auf den magnetischen Fall anwenden. Dagegen ist auf die Mehrzahl der [exp.?] Annalenleser Bedacht genommen bei der breiteren Darstellung, weil diese für die übliche bündige mathematische Ausdrucksweise nicht immer das rechte Verständnis haben. Der symmetrische Kreisel ist doch nicht in allen Fällen genügend, so z.B. bei der hysteretischen Orientirung. Vermuthlich spielt die Pendelbewegung B (bei der ich zuerst den Dia/3/magnetismus auch experimentell constatirte) auch eine Rolle, wenn auch nicht eine so wesentliche wie die Staude'sche A-Bewegung.

Mit der Vereinfachung des Beweises der Gl. (I) haben Sie natürlich sehr recht; ich hatte die Sache gedankenlos aus dem holländischen Academiebericht übersetzt, wo die Ableitung geomtrisch mit Hülfe des in 2 Ebenen entarteten Kegels geschehen war. Ich stimme Ihnen auch durchaus zu dass das Energetische etwas abstract /4/ und unklar erscheint, namentlich bei der Mittelwerthsbildung. Ich hatte mir die Frage vorher an concreten Fällen zurechtgelegt, wo man sich bald überzeugen lässt. Ein aus grosser Höhe (g variabel) runtersinkender Luftballon mit angeheftetem Centrifugalpendel ist eine brauchbare Illustration für den Fall "Schwere"; im holländ. Original (welches ich Ihnen vor Jahr und Tag zuschickte ist der § etwas ausführlicher behandelt. /5/ Dass Sie beim zwangsläufigen Mechanismus stutzig werden, wundert mich nicht, fusst doch die ganze Theorie auf die Annahme dreier Freiheitsgrade. Ich habe aber experimentele [sic] bisher gefunden dass sich der paramagnetische Kreisel mit 1 Freiheitsgrad, der diamagnetische mit 2 qualitativ (und wohl auch quantitativ) ebenso verhält; indessen ist das noch nicht ganz abgeschlossen.

Da ich wohl erst im Januar Separata erhalte, erlaube ich /6/ mir Ihnen den 1n Bogen nach Ausschnitt Ihrer Bemerkungen zurückzusenden zur ev. gefl. Benutzung. Auch lege ich noch eine anschliessende Arbeit bei, die ich leider bitten muss, wieder zu retournieren da ich kein Duplicat habe.

Ich schaue mit einer gewissen Sehnsucht nach Encyclopaedie Bd. V,2 aus, den ich bei der Ausarbeitung der Vorlesung gewiss trefflich verwerthen können.

Auch Kreiseltheorie, Heft 3, wird mit grosser Freude be/7/grüsst werden, ebenso wie die pendelnden Alternatoren, über die bisher von Elektrotechnikern eine Menge Zeug geschrieben wurde.

Was die Assistentenfrage betrifft, so befinde ich mich leider in gleicher Lage wie Sie, indem mir als officiellem Theoretiker keine zusteht. Sobald ich mein Laboratorium wieder organisire würde ich mir höchstens privatim einen technischen Experimentalphysiker ver/8/schreiben.- Ein Leibkreiseltheoretiker wäre zwar sehr verlockend aber doch etwas luxuriös. Falls ich die Sache recht verstehe bleibt er doch vorläufig noch in Göttingen bis zu seiner Promotion? Vielleicht liesse sich später etwas abmachen über eine Bearbeitung bestimmter Aufgaben ohne ständige Assistenz, obwohl das freilich kaum üblich ist.

Mit freundlichstem Grusse
Ihr sehr ergebener
H. du Bois