[März 1918]

Für den Jahresbericht der K.W.K.W.

Meine kriegswissenschaftlichen Arbeiten sind veranlasst teils von der V.[erkehrs-]P.[rüfungs-]K[ommission] jetzt Tafunk (Rittmeister Prof. Max Wien), teils von der Torpedoinspektion Kiel (Capitän v. Voigt und Prof. Barkhausen), teils von der A.[rtillerie] P.[rüfungs] K.[ommission] (Oberstleutnant Koch). Gewisse Fragen, die mir von der Arendt-Abteilung gestellt waren (Leutnant Courant) sind noch nicht erledigt. Meine Arbeiten sind sämtlich theoretischer (rechnerischer) Natur. Sie haben mich mehrmals nach Berlin, Kiel und einmal nach Göttingen zu einer Besprechung im Prandtl'schen Institut geführt. Sie zerfallen entsprechend den genannten Stellen, die dieselben veranlasst haben, in drei Gruppen.

I. Über gerichtete drahtlose Telegraphie.

1. Zur Theorie des Empfängers,
Februar 1917, Auszug bei den Akten der K.W.K.W.

Die Untersuchung bezweckt die Wirkungsweise der an allen Fronten eingerichteten R.[icht-]E[mpfangs]-Stationen aufzuklären. Diese bestehen bekanntlich aus einem Paar zu einander senkrechter, im Wesentlichen horizontal gespannter Drähte //mit Peilvorrichtung// und bezwecken mittels Compasspeilung die Richtung ankommender Wellenzüge festzustellen.

Es ergiebt sich hier, wie überhaupt bei den Horizontalantennen, folgender zunächst paradoxer Sachverhalt. Die ankommenden Wellen werden von Kraftlinien gebildet, die ihre Hauptcomponente senkrecht zum Erdboden haben. Die Horizontalantenne spricht aber nur auf elektrische Kräfte an, die horizontal gerichtet sind. Die Erklärung liegt darin, dass durch die Mitwirkung des Erdbodens die ankommenden elektrischen Kraftlinien stets vorgeneigt werden, in einem Maaße, das von der Leitfähigkeit des Erdbodens abhängt. Die so sich ergebende horizontale Componente ist zwar /2/ kleiner als die vertikale, aber - ausser auf Seewasser - durchaus nicht zu vernachlässigen. Die Horizontalantenne kann nur durch diese Componente erregt werden; da sie aber auf Resonanz eingestellt ist, genügt die verhältnismässig geringe Stärke der Anregung.

Es wird die Möglichkeit besprochen, durch andere Anordnung der vertikalen Teile der Empfänger-Antennen die stärkere vertikale Componente der Wellen auszunutzen. Überdies wird ausführlich die Frage diskutirt, ob nicht doch durch eine Art indirekter Wirkung die vertikale Componente irgendwie den horizontalen Draht anregen könne: Wenn eine solche indirekte Wirkung überhaupt vorhanden ist, so könnte sie nur gering sein und nur durch eine vom Erdboden bewirkte Unsymmetrie der Ladungen zustande kommen.

Den Schluß des Berichtes bildet die Kritik einer Empfänger-Theorie von Bellini und Tosi.

2. Die Richtwirkung einer Horizontalantenne in anschaulicher Darstellung. April 1917. Abschrift bei den Akten der K.W.K.W.

Hier handelt es sich um das gerichtete Senden mittels einer Horizontalantenne, insbesondere um die Frage, ob das Feld einer Horizontalantenne ausser der vertikalen und der von der Antenne fortgerichteten radialen Componente auch eine zu beiden senkrechte Seitencomponente besitzt, welche beim Anpeilen der Horizontalantenne zu Misweisungen führt.

Der Behandlung wird eine Vorstellung zu Grunde gelegt, welche in der Münchener Dissertation von v. Hörschelmann entwickelt ist: dass man für die Fernwirkung die Horizontalantenne ersetzen kann durch zwei Vertikalantennen, die an den Enden der Horizontalantenne mit entgegengesetzten Phasen schwingen und die Zu- und Abführung der Erdströme in die oder von /3/ der Horizontalantenne verkörpern. Diese Vertikalantennen interferiren miteinander u. zw. nach den verschiedenen Richtungen in verschiedener Weise. Sie verstärken sich in ihrer Verbindungslinie (am vollkommensten, wenn ihr Abstand eine halbe Wellenlänge beträgt), sie heben sich auf in der dazu senkrechten Richtung. Dadurch entsteht die bekannte Verteilungscurve der Intensität (Charakteristik) für die vertikale und radiale Feldcomponente. Die Zusammensetzung der Wirkungen beider Vertikalantennen führt aber gleichzeitig noch auf eine Seitencomponente. Diese ist am stärksten in der Richtung senkrecht gegen die Horizontalantenne (also senkrecht gegen die Verbindungslinie der Vertikalantennen), sie verschwindet in Richtung der Horizontalantenne (in der Verbindungslinie der Vertikalantennen.) Bei kleiner "numerischer Entfernung" (Definition dieses Begriffes in meiner ursprünglichen Arbeit, Annalen der Physik 1909) führt diese Seitencomponente nur zu einer Unschärfe der Einstellung, bei grosser numerischer Entfernung aber zu einer Misweisung, die je nach Beschaffenheit des Erdbodens mehrere Grad betragen kann.

Die Misweisung verschwindet über Seewasser, wo wir es stets nur mit "kleinen numerischen Entfernungen" zu tun haben, und ist am stärksten ausgeprägt über trockenem, schlecht leitendem Erdboden[.]

Fast gleichzeitig mit meinem Bericht war in der Tafunk ein Bericht über Strassburger Meßungen eingetroffen, welcher die von mir berechnete Art und ungefähre Grösse der Misweisungen bestätigte.

/4/ Stromlinientelegraphie.

Die fraglichen Probleme wurden in einer Besprechung mit Prof. Barkhausen, Kiel im Mai 1917, formulirt. Es handelt sich [darum,] ein Verständigungsmittel von U-Boot zu U-Boot oder von Land zu U-Boot durch langsamen Wechselstrom zu schaffen. Von vornherein war klar, dass die verhältnismässig hohe Leitfähigkeit von Seewasser eine starke Absorption der Wechselstromsignale im Wasser bewirken muß, eine um so stärkere je höher die Frequenz ist. Die Versuche waren mit 500 Wechseln ausgeführt und sollten auf 50 Wechsel ausgedehnt werden. Die charakteristische Länge, auf der eine Abnahme auf $\frac{1}{e}$ in der Amplitude zu erwarten war, ist \begin{gather*} \lambda = \frac{1}{\sqrt{\sigma \nu}}
\sigma = \textrm{ Leitfähigkeit des Wassers in elektromagn. Maaß }
\nu = \textrm{ Zahl der vollen Wechsel } \end{gather*} Die Beobachtung hatte aber ergeben, dass unter günstigen Umständen die Signale bis auf 10km Entfernung reichten, was ein hohes Vielfaches der berechneten kritischen Länge $\lambda$ bedeuten würde. Es wurde deshalb vermutet, dass die grossen Reichweiten erzielt werden nicht durch Leitung im Wasser sondern durch Leitung durch den (viel weniger absorbirenden) Erdboden.

1. Stromlinien-Telegraphie in flachem Wasser.

Der Untersuchung dieser Vermutung ist der erste einschlägige Bericht (bei den Akten der K.W.K.W.) gewidmet. Es war nötig, die //Wellenfort// Stromlinien-Fortpflanzung in dem aus Wasser und Erdboden gebildeten Doppelmedium zu berechnen, was nach dem Vorbilde meiner Arbeit über drahtlose Telegraphie //(Luft-Erdboden) (Erdboden-Luft)// geschehen konnte, wobei der Luft dort der Boden hier, dem Erdboden dort das Wasser hier entspricht. So wie sich dort die Wellen in Luft ausbreiten und im Erdboden versickern, so werden sich hier die Wechselströme im Boden ausbreiten und nur durch eine Art Skineffekt in das Wasser hineingelangen. Letzterer /5/ Umstand schränkt die Anwendbarkeit der Methode auf geringe Tiefen des Oceans ein: bei Tiefen von mehreren hundert Metern würde die Absorption im Wasser bei der Überwindung der vertikalen Abstände, also beim Übergang vom Senderboot zum Meeresboden und beim Übergang vom Meeresboden zum Empfängerboot die Wellenenergie zu sehr verbrauchen, selbst wenn die Fortpflanzung im Meeresboden in horizontaler Richtung mit hinreichend geringem Energieverlust vor sich ginge.

2. Stromlinientelegraphie mit grosser Basis
(Bericht bei den Akten der K.W.K.W.)

Wenn die Basis, von der aus der Wechselstrom in's Wasser gegeben wird, nicht mehr klein ist gegen die Wellenlänge des Wechselstroms (in Wasser gemeßen), so hat die Rechnung nicht mehr von einem idealen Dipol sondern von einer Aneinanderreihung solcher auszugehn. Das Problem hat Interesse für den sog. Wechselstromcompaß, bei dem die U-Boote sich durch ein wechselstrom-führendes Kabel orientiren sollen und für die Aufsuchung feindlicher Kabelleitungen. Deshalb wird das elektromagnetische Feld in der Nähe eines langen Kabels untersucht, sei es dass in demselben periodischer Wechselstrom oder unperiodische Stromimpulse fliessen.

In einem Nachtrag, welcher durch eine Mitteilung aus Kiel über Unstimmigkeiten zwischen Rechnung und Beobachtung hervorgerufen wurde, wurde die Fortpflanzung der Phase des Wechselstroms längs des Kabels berücksichtigt. Nach neuerer Mitteilung sind die Unstimmigkeiten dadurch noch nicht ganz behoben.

/6/ 3. Stromlinientelegraphie mit magnetischem Dipol.

Während man eine Schleppantenne als einen elektrischen Dipol auffassen kann, stellt eine geschlossene horizontale Drahtschleife einen magnetischen Dipol von vertikaler Axe dar. Es entsteht die Frage, bei welcher von beiden Anordnungen die Ausbreitung im Wasser sich günstiger stellt. Auch bei der Behandlung des magnetischen Dipols handelt es sich um ein Doppel-Medium, nämlich um das Zusammenwirken von Wasser und Luft. Wegen der für den elektrischen und magnetischen Fall verschiedenen Grenzbedingungen zwischen Wasser und Luft wird der sonst vollständige Dualismus beider Probleme gestört. In praktischer Hinsicht ergiebt sich: Auf kleine Entfernungen ($r < \lambda$) ist das Senden mit Schleife günstiger wie mit Antenne, auf grössere Entfernungen ungünstiger.

Die letzte Untersuchung kommt auch in Betracht für eine Frage, die mir unterm 9. November 1917 vom Reichsmarineamt gestellt ist: Durch welche Anordnungen kann man die Schärfe der Richtung drahtloser Signale verbessern, d.h. den Winkelraum, in den merkliche Intensität gelangt, verkleinern. Meine diesbezüglichen Bemühungen sind zur Zeit noch nicht abgeschlossen.

Ballistik der Minenwerfer.

In der erwähnten Göttinger Besprechung stellte Herr Oberstleutnant Koch die Aufgabe, die konischen Pendelungen der Minen durch ev. Abänderung ihrer Bauart auszuschalten oder zu verringern und eine möglichst glatte Flugbahn zu erzielen. Meine diesbezüglichen Rechnungen (Bericht und Nachtrag bei den Akten der K.W.K.W.)