München, 7. III. 46

Lieber Gerlach!

Herzlich willkommen in Deutschland! Genießen Sie den Bonner Frühling, auch wenn er sein blaues Band über Ruinen flattern lässt. Über München weht heute statt des blauen Bandes wieder eine grau-trübselige Fahne.

Wir warten sehr auf Sie, werden aber wohl noch lange warten müssen! Für den armen Rüchardt, der nun alle Instituts- und Vorlesungssorgen auf sich nehmen muss, werden wir versuchen, eine Entschädigung in Gestalt eines persönlichen Ordinariats zu erwirken; Clusius hat Ihnen darüber vielleicht schon berichtet. Ich werde durch Gans im nächsten Semester kommissarisch vertreten werden, nachdem man Welker, den ich eigentlich vorgezogen hätte, als S.A[.]-belastet, abgelehnt hat. In Wiederaufnahme unserer letzten Berufungs-Vorschläge warten wir zunächst die Entscheidung über Heisenberg ab; wenn auch mit geringer Hoffnung. Nach ihm käme v. Weizsäcker, Hund in Betracht, dann der liebe und gediegene Fues, der in Wien Thirring Platz machen musste u. jetzt an der Stuttgarter T.H. ein Auto-Forschungsinstitut zu betreuen hat. Rüchardt hat übrigens ein sehr nettes Colloquium zustande gebracht, in dem ich selbst zweimal vorgetragen habe. Haxel hat mehrere glänzende Vorträge gehalten, auch der hochintelligente u. sympathische Gora /2/ ist ein treffliches Glied Ihres Instituts geworden.

Gern würde ich Ihnen Bd. II meiner Vorlesungen schicken, aber er ist dafür zu schwer (ich meine nicht sachlich, sondern postalisch, weil nur 500gr zugelassen werden). Er ist nur in der russischen Zone erhältlich. Vielleicht haben Sie nicht einmal Bd. I bekommen? Bd. VI ist fertig u. soll gesetzt werden, sobald er die russische Censur passiert hat, zu welchem Zweck ihn Ernst vor einigen Tagen mit nach Berlin genommen hat. Er war 4 Wochen bei uns auf "Dienstreise". Auch Eckhart ist endlich aus engl. Gefangenschaft zurück. In Dunantstr. 6 war ein Familientag mit 3 Kindern u. 3 Enkeln. Vielleicht wird Bd. VI zweimal gedruckt werden, einmal für die russische u. einmal für die westl. Zonen.

Grüssen Sie Konen von mir; seine humanen Eigenschaften habe [ich] stets geschätzt, seine Rektoratsrede an die Studenten war so grossartig, dass ich sie mir abschreiben ließ. Füchtbauer, den W. Wien besonders geliebt hat, hat hypertrophische wissenschaftliche Scheuklappen, war berühmt wegen seiner unmöglichen Vorlesungen und mir, trotz seiner wissenschaftlichen Bravheit, unerträglich.

Meine Frau grüsst herzlich, sie hat bisher alle Widerwärtigkeiten der Wirtschaft, Zimmer-Abgabe, Hausbeschädigungen und übersstandenen Familiensorgen, tapfer ertragen. Es sieht nicht so aus als ob die Zukunft viel leichter sein wird als die Gegenwart; aber die Vergangenheit war noch schlimmer.

Treulich Ihr
A Sommerfeld

Lieber Herr Gerlach,

ich hab gar nichts weiter zu sagen, als daß ich so froh war, daß Ruth Sie besuchen konnte u. noch /1/ froher sein würde, wenn R's Wünsche in Erfüllung gingen u. Sie den Oleander-Flor Ihrer Terasse, der letztes Jahr zauberhaft war, in diesem wieder mitgenießen könnten [???]

Ihre alte J.S.